Historie
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Kurz gefasste Historie des Kempo-Judo Ryu Jiu Jitsu
Entwickelt wurde das Kempo-Judo Ryu Jiu Jitsu in den 90er-Jahren, als Begriffe wie „Mixed Martial Arts“ oder „Multistyle Self Defense“ in Deutschland nahezu unbekannt waren und das Internet als Informationsplattform noch nicht im heute üblichen Umfang für Recherchen zur Verfügung stand. Auf der Basis von Wettkampf-Judo, klassischem Jiu Jitsu, Brazilian Jiu Jitsu und Kempo-Karate haben wir ein Technik-Repertoire ausgewählt, das auch ohne artistische Fähigkeiten zu beherrschen ist und vom Normalbürger in verhältnismäßig kurzer Zeit so weit erlernbar ist, dass er sich gegen die meisten Angriffe effektiv verteidigen kann. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Selbstverteidigung von Frauen gerichtet.
Die oben genannten Stilrichtungen wurden nicht planmäßig ausgesucht, sondern ergaben sich schlicht aus der individuellen Kampfsport-Biographie jener kleinen Gruppe von Personen, die damals am Kempo-Judo „gebastelt“ haben (Gerold Bauer, Norbert Spenny, Martin Feifel).
Deshalb respektieren wir auch weiterhin alle anderen Stilrichtungen und sind offen für jeden Budoka, der ernsthaft an praxistauglicher Selbstverteidigung interessiert sind. Gäste sind stets willkommen. Grundsätzlich gilt allerdings, dass nur Leute am Training teilnehmen dürfen, die auch außerhalb des Dojos ein ehrenhaftes und friedfertiges Verhalten zeigen.
Nebenbei haben wir uns auch auf den Wettkampf-Matten in verschiedenen Verbänden ausgetobt und konnten im Brazilian Jiu Jitsu, im „Allkampf“ sowie in der Selbstverteidigung schöne Erfolge erzielen – darunter mehrere erste Plätze bei World Games, Europameisterschaften und Internationalen Deutschen Meisterschaften.
Kampsport oder praxistaugliche Selbstverteidigung?
Warum das „Kempo-Judo“ in Deutschland etabliert wurde
von Gerold Bauer (5. Dan Kempo-Judo)
Es gibt die klassischen Kampfsportarten beziehungsweise Kampfkünste Judo, Karate, Teakwondo, Jiu Jitsu, Ju Jutsu, Kung Fu, Kempo, Ringen, Boxen und zahlreiche Selbstverteidigungsstile, die sich aus den Ausbildungsprogrammen des Militärs entwickelt haben (zum Beispiel das israelische Krav Maga). Warum also auch noch ein „Kempo-Judo“-Stil zur Selbstverteidigung? Um es vorweg zu nehmen – diese Bezeichung wurzelt im ganz persönlichen sportlichen Werdegang einer kleinen Personengruppe, die vor mehr als einem Jahrzehnt das technische Repertoire für diesen Kampfstil zusammengestellt hat und ihn seither unterrichtet. Andere Leute hätten aufgrund ihrer Biographie vielleicht ihr System „Box-Jutsu“ oder „Teakwon-Jitsu“ genannt. Es ist sogar durchaus möglich, dass es diese Stile tatsächlich gibt – angesichts zahlloser Schöpfungen bedarf es heute einer gezielten Recherche in Fachpublikationen und im Internet, um sich einen Überblick über die Angebote auf dem Selbstverteidigungssektor zu verschaffen.
Filtert man den einen oder anderen „Stil“ heraus, bei dem aus rein kommerziellen Gründen nur der Name neu ist oder der geschaffen wurde, weil man sich verbandsintern zerstritten hat, bleiben immer noch die eingangs aufgelisteten Kampfstile übrig, die sich auf eine längere und allgemein anerkannte Tradition berufen können. Dies gilt insofern auch für das Kempo-Judo, denn durch diese Namensgebung berufen sich die Lehrer und Schüler ja auf zwei anerkannte Stile. Das neue daran war
Anfang der 90er-Jahre nur, dass Techniken aus zwei unterschiedlichen Stilen kombiniert werden, weil sie sich ideal ergänzen und dadurch helfen, einen möglichst umfassenden Kampfstil in allen Distanzen zu bieten. Das Kempo-Judo versteht sich selbst nicht als neu gegründeter Stil, sondern als Synthese bereits vorhandener Stile.
Alle seriösen „Neugründungen“ – beispielsweise das Kempo-Jiu Jitsu aus Großbritannien, Bruce Lees „Jeet Kune Do“, das auf Hawai entstandene „Kajukenbo“ haben sich auf Vorhandenes gestützt, für überflüssig Betrachtetes weggelassen und Lücken durch Techniken aus anderen Stilen ergänzt. Selbst das deutsche „Ju Jutsu“ ist kein traditioneller Japanischer Kampfstil (auch wenn die KanjiSchreibweise im Emblem diesen Eindruck erweckt), sondern wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg unter maßgeblicher Beteiligung von erfahrenen deutschen Polizeibeamten durch Kombination von Judo, Karate und Aikido ins Leben gerufen.
Geht man in der Geschichte noch weiter zurück und befasst sich näher mit den legendären Stilgründern wie Ueshiba, Kano, Funakoshi oder Yamaguchi, stellt man fest, dass auch diese Ausnahme-Budoka aus dem reichhaltigen Fundus der (jahrhundertelang auf den Schlachtfeldern erprobten) Samurai-Kampfkünste beziehungsweise aus dem Wissen der chinesischen Kung FuMeister schöpfen konnten. Viele Kung-Fu-Stile wiederum sind auf indische Kampfkünste zurück zu führen, und in Griechenland wurde vor über 2000 Jahren unter dem Namen „Pankration“ bereits als antike olympische Disziplin praktiziert, was in den 90er-Jahren unter dem werbewirksamen Namen „Ultimate Fighting“ vermarktet wurde.
Der differenzierte Blick auf die Kampfkünste der Welt zeigt vor allem eines: Angriffs- und Verteidigungstechniken sind immer abgestimmt auf die jeweilige Erfahrungswelt derjenigen, die sich ausüben. Selbst in der Steinzeit siegte bei Kämpfen mit der groben Keule meistens jener, der neben den körperlichen Voraussetzungen auch die Fähigkeit hatte, durch geschicktes Handeln seine Vorteile auszunutzen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass vielleicht schon ein Neandertaler eine
Wurf- oder Tritttechnik benutzte, die erst Zig-Jahrtausende später und in einem ganz anderen Teil der Erde offiziell „erfunden“ wurde. Dass japanische Fischer lernten, sich mit dem Paddel ihres Bootes zu verteidigen und Bauern auf Okinawa ihre landwirtschaftlichen Werkzeuge als sehr wirksame Waffen einsetzen konnten, bestätigt die Aussage, dass Kampfkünste ein Produkt ihrer Zeit und ihres Umfeldes sind. Hinzu kommen anatomische Unterschiede der Weltbevölkerung, die zum
Beispiel in Asien die ausgefeilten Beintechniken und die Anwendung innerer Energien (Ki/Chi) begünstigte, während der durchschnittliche Bewohner der alten Welt dazu tendierte, seine in der Regel stärker entwickelten Arme beim Kampf zu nutzen und kraftbetont zu agieren.
Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit, die sich als roter Faden durch die Historie der „Martial Arts“ zieht: Der Wunsch beziehungsweise die Notwendigkeit, sich gegen eine reale Bedrohung zur Wehr zu setzen, machte die Menschen auf allen Flecken dieser Welt erfinderisch. Auch das Streben, sich durch überlegene Kampftechnik andere Menschen untertan zu machen, prägte nicht nur die Weltgeschichte, sondern auch die Entwicklung der oft so unterschiedlichen Angriffs- und Verteidigungstechniken. Ganze Dynastien von Militärstrategen oder -ausbildern bestritten ihren Lebensunterhalt damit, den „perfekten Soldaten“ zu trainieren.
Für die Kampstile, die heute in Vereinen und Schulen von Privatleuten ausgeübt werden (also auch für das Kempo-Judo), sind jedoch nicht das politische Machtstreben, sondern der Selbstverteidigungsaspekt oder der sportliche Gedanke maßgebend. Der Wunsch, einen unmittelbar bevorstehenden oder bereits begonnenen Angriff – wie es im Notwehrgesetz definiert wird – abzuwenden sowie sein Eigentum vor unlauterem Zugriff zu bewahren, motiviert viele Menschen zum Besuch eines Kampfsporttrainings. Und genau hier beginnt auch die Geschichte des KempoJudo. Die drei maßgeblich an der Zusammenstellung des Kempo-Judo-Programm beteiligten Männer gingen – wie so viele andere – schon als Jugendliche ins Judo- beziehungsweise Jiu Jitsu-Training, weil sie lernen wollten, wie man sich verteidigen kann.
Es dauerte in diesen drei Fällen mehr als 20 Jahre, bis erkannt wurde, dass sich manche ehemals als Kampfkunst gegründete Stilrichtung im Laufe der Jahre soweit „versportlicht“ hat, dass der praktische Nutzen im Ernstfall im Training oft vernachlässigt wird. Judo ist hierfür ein Paradebeispiel, denn der Stilgründer selbst, Jigoro Kano, hat seiner in den Anfangsjahren sehr brutalen und nicht selten lebensgefährlichen Kampfkunst die Schärfe genommen und aus dem Judo ein pädagogisch
inspiriertes Lehrsystem gemacht. Als Judo dann eine olympische Disziplin wurde, ging dieser Prozess noch ein Stück weiter. Immer mehr Techniken wurden nicht mehr geübt oder vermittelt und gerieten
so im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Es gibt heute viele Judo-Danträger, die nicht mehr wissen, dass in Kanos ursprünglichem Repertoire auch Schlagtechniken ihren festen Platz hatten. Kettenfaustschläge, die man heute automatisch dem Wing-Tsun-Stil zuordnet beispielsweise, oder Handballenstöße (wie sie in ähnlicher Form heute noch im Sumo zu sehen sind) wurden ebenfalls benutzt.
Wie macht man das Judo wieder zu einer vollständigen, für den Ernstfall hilfreichen Selbstverteidigung? Immer wieder wurden auch vom Deutschen Judoverband Anläufe gemacht, die so genannte „Judo-Selbstverteidigung“ im Prüfungsprogramm in der einen oder anderen Form zu verankern. Richtig durchsetzen konnte sich diese Idee freilich nie – vielleicht auch deshalb, weil die entsprechenden Technikvorschläge oft sehr konstruiert und nicht an der modernen Realität orientiert wirkten. Es wurden beispielsweise Wurftechniken, die im antiken Japan zur Abwehr von Hieb- und Stichwaffen entwickelt worden waren und sich dabei auch in der Praxis bewährt hatten, nun plötzlich als Mittel gegen Faustangriffe zweckentfremdet. Damit dies überhaupt funktionieren konnte, wurden die Angriffe sehr stilisiert ausgeführt – weit weg von der Art und Weise, wie zum Beispiel ein angetrunkener Randalierer auf jemanden einstürmt.
So also nicht – aber wie dann? Eine weitere Problematik lag darin, dass nicht alles, was vor langer Zeit praxisnah war, es heute auch noch ist. Die Lebensweise hat sich geändert, der Medienkonsumebenfalls – und von beidem wird die Art und Weise der körperlichen Auseinandersetzungen bestimmt. Wurde noch vor 30 Jahren auf den Schulhöfen mehr gerungen als geschlagen, geht es heute bei Schlägereien wesentlich brutaler zu. Schon sehr junge Kinder, und immer häufiger auch Mädchen und Frauen, treten ohne große Vorwarnung zu und lassen wild die Fäuste fliegen. Die Hemmschwelle, eine gefährliche Waffe zu benutzen, ist erheblich gesunken – wie man anhand der Polizeistatistiken belegen kann. Auch die Tatsache, dass ein Opfer bereits wehrlos am Boden liegt
oder sich von Anfang an gar nicht verteidigen will, hindert viele Angreifer nicht daran, mit regelrechter Zerstörungswut einen fremden Körper zu malträtieren. Hirnlose Action-Filme und moralisch fragwürdige PC-Spiele sowie die privaten Videos auf „YouTube“ werden immer öfter zu Vorbildern für zügellose Prügeleien.
„Tempores mutantur et nos mutamur com illis“, lehrten schon die Denker im alten Rom. Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen. Dieser Herausforderung muss sich auch die Kunst der Selbstverteidigung stellen und sich den aktuellen Gegebenheiten anpassen, wenn sie nicht nur ein reiner Zeitvertreib, eine Persönlichkeitsschulung oder eine Gesundheitsgymnastik sein will. Die quantitative und qualitative Entwicklung der gewalttätigen Auseinandersetzungen offenbart nämlich ein sehr wichtiges Detail: Es ist klar zu unterscheiden zwischen Kampfsport und praxisorientierter Selbstverteidigung.
Sport ist eine Sache, in der Fairness und Kameradschaft einen sehr hohen Stellenwert haben und haben sollen. Gleichzeitig sind die sportlich erwünschten Charakter-Eigenschaften bei der Abwehr einer realen Bedrohung schon häufig selbst guten Wettkampfsportlern zum Verhängnis geworden. Denn wenn ein Angreifer üble Hinterlist und brutale Rücksichtslosigkeit walten lässt, bringt das einen klaren Nachteil für einen sportlich-fair handelnden Verteidiger. Diese Erkenntnis darf nun aber
nicht so verstanden werden, dass man als Kampfsportler alle Sportlichkeit beiseite legt und sich auf die Stufe eines Straßenschlägers begibt. Je mehr junge Menschen durch den Sport mit wichtigen moralischen Werten vertraut gemacht werden – umso besser für unsere Gesellschaft.
Es ist allerdings unabdingbar, dass man sich die Unterschiede von Kampfsport und realer Selbstverteidigung bewusst macht, um für den Ernstfall gut vorbereitet zu sein. Jeder Trainer unterliegt einer besonderen Verantwortung, seine Schüler nicht in falscher Sicherheit zu wiegen. Denn im Sport kann man einfach aufgeben, wenn man sich heillos unterlegen fühlt oder Schmerzen hat. Auch ein Schiedsrichter ist zur Stelle, um die Kämpfer zu trennen, wenn einer dem anderen wehrlos ausgeliefert ist. Solche „Fallschirme“ gibt es bei echten, kriminellen Angriffen in der Regel leider nicht. Zumindest sollte sich niemand darauf verlassen, dass er als Unterlegener eine gnädige Behandlung oder Hilfe durch couragierte Dritte bekommt.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf, wurde von den drei Leuten, die damals noch nicht wußten, dass sie irgendwann einmal „Kempo-Judo“ trainieren würde, schon in den 90er-Jahren nach dem Vorbild amerikanischer Militär- und Polizeiausbilder relativ realitätsnah Bedrohungs- und Angriffszenarien nachgestellt und auf dem experimentellen Weg nach Lösungsmöglichkeiten gegen wirklich hart ausgeführte Attacken gesucht. Diese Trainingsmethode hatte den Vorteil, dass sich hinsichtlich der
Techniken schnell die Spreu vom Weizen trennte. Vieles, was in Lehrbüchern stand, erwies sich nicht als praktikabel oder erforderte die Perfektion von „Profis“, um in Echtzeit noch sicher beherrscht zu werden.
Unzählige Lehrgänge und viele blaue Flecken später sowie um das intensive Studium von Videomaterial, Zeitschriften und Literatur reicher, stand fest, dass dem sportlichen Judo von heute der „Katalysator“ fehlte, um die eigentlich guten Wurf- und Festlegetechniken im Ernstfall zum Einsatz bringen zu können. Mit „Katalysator“ sind einleitende Ausweich-, Abwehr- aber auch Schocktechniken gemeint, die dafür sorgen, dass man als Verteidiger nicht K.O. geschlagen oder mit einer Waffe verletzt wird, bevor man einen Wurf erfolgreich ausführen kann.
Peter Brown, in einem der gefährlichsten Viertel Londons aufgewachsen, demonstrierte damals auf einem internationalen Seminar der World Kobudo Federation in Norddeutschland, wie seine Lösung dieses Problems aussieht: Blitzschnelle und knallharte Blocks oder die Ablenkung angreifender Kräfte, gefolgt von kompromisslosem Vorgehen beim Werfen oder Hebeln. „Kempo“ hieß Brownes Zauberwort, um traditionelle Hebeltechniken und Würfe aus dem Jiu Jitsu den „Gesetzen der Straße“ anzupassen.
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle differenziert auf die einzelnen Kempo-Stile sowie auf deren Entstehungsgeschichte oder deren Unterschiede einzugehen. Was (nahezu) alle Kempo-Stile charakterisiert, sind die fließenden Bewegungen, der nahtlose Übergang von Verteidigung und Gegenangriff sowie eine wie ein Maschinengewehr prasselnde Schlagfrequenz.
Es war ein glücklicher Zufall, dass Peter Browne damals sehr offen und freundlich auf die Kontaktaufnahme „der drei jungen Deutschen” reagierte und bereitwillig sein umfangreiches Wissen teilte. Trainingsaufenthalte in London beziehungsweise bei internationalen „Gathering of the Masters“-Veranstaltungen vertieften die Einblicke in die britische Kempo-Interpretation. Es stach sofort ins Auge, dass diese Kempo-Bewegungen sehr gut mit einem klassischen Grappling-Stil wie dem Judo harmonierten.
Die Idee war geboren, so etwas in Deutschland auch anzubieten. Erst Jahre später, als das Internet die nationale und internationale Recherche wesentlich leichter machte, stellte sich heraus, dass auch andere Gruppen in Deutschland sehr ähnliche Wege gingen. Das sprichwörtliche „Rad“ war in dieser Hinsicht gleich mehrfach erfunden worden.